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Montag, 23. Dezember 2013

Volksprediger Fethullah Gülen: Der mächtige Widersacher Erdoğans

Etwas ist Faul im Staate Türkei. Denn es rumort mal wieder am Bosporus, und zwar gewaltig. Der so genannte Machtkampf zwischen der Regierung Erdogan und der Hizmet-Bewegung um Fethullah Gülen mag für viele völlig überraschend sein, war der Hizmet-Bewegung doch jahrelang vorgeworfen, sich uneingeschränkt und vorbehaltslos hinter dem Premier zu stellen. Warum jetzt plötzlich die Aufregung? Antworten dazu sucht Tim Neshitov von der SZ.
File photo of Islamic preacher Fethullah Gulen at his residence in Saylorsburg, Pennsylvania
Fethullah Gülen (Foto: Reuters)
Er lebt im Exil in Pennsylvania, hat mehr als 60 Bücher geschrieben und steht im Verdacht, der "glorreichen osmanischen Vergangenheit" hinterherzutrauern. Dennoch hat Fethullah Gülen Millionen Anhänger. Diese könnten dem türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan im aktuellen Machtkampf das Leben schwer machen. Von Tim Neshitov
 
In der Türkei tobt wieder ein Machtkampf, und viele Kommentatoren sind sich einig, dass es diesmal Anhänger des charismatischen Predigers Fethullah Gülen sind, die dem Premier Recep T. Erdoğan das Leben schwer machen. Gülen hat über seinen Anwalt die Spekulationen zurückgewiesen, er stecke hinter den Razzien gegen Erdoğan-Vertraute. Aber allein die Tatsache, dass dem Kleriker dies zugetraut wird, zeugt von seinem kolossalen Einfluss. Womit aber mobilisiert Gülen seine Anhänger, zu denen Unternehmer und Lehrer zählen, Ärzte und Studenten, Popstars, Autoren, Busfahrer, Fußballprofis?

Freitag, 17. Mai 2013

Benz: Feindbild der Juden durch Muslime ersetzt

"Wirkliche Kritik setzt Sachkenntnis voraus. Verallgemeinerung hingegen ist das Kochrezept aller Vorurteile", sagte Prof. Dr. Wolfgang Benz in der Bibliothek des Deutschen Bundestages, wo er aus seinem Buch "Die Feinde aus dem Morgenland. Wie die Angst vor den Muslimen unsere Demokratie gefährdet" las.
aus www.bundestag.de




In seinem Werk analysiert der renommierte Antisemitismusforscher aus der Perspektive der Vorurteilsforschung Mechanismen der Ausgrenzung einer Minderheit durch die Mehrheit. Eine zentrale These des Autors dabei lautet: Muslimfeindlichkeit arbeitet mit ganz ähnlichen Argumentationsmustern und Stereotypen wie der Antisemitismus.

Einteilung in Gut und Böse

"Gemeinsam ist diesen Vorurteilen die Einteilung in Gut und Böse sowie das Phänomen der Ausgrenzung. Oftmals dient eine solche Denkweise der Anhebung des eigenen Selbstbewusstseins, auch um soziale Frustrationen zu lindern", so Benz. Zentrale Rollen bei der Diskriminierung von Fremden spielten vor allem Religion und Kultur. Vergleiche man Antisemitismus mit Islamfeindlichkeit, so lasse sich ein grundlegender Unterschied feststellen. Im Gegensatz zum ausgehenden 19. Jahrhundert geht es heute nicht mehr um die Emanzipation der Juden, sondern um die Integration der Muslime.

Bloggerszene agiert besonders infam

Und diese, so Benz, werde zusätzlich erschwert durch moderne Technologien wie das Internet. Benz: "Dabei ist die Muslimfeindschaft in der Bloggerszene besonders infam. Morde an Muslimen werden dort zum Teil freudig begrüßt." Gleichzeitig, führte der Wissenschaftler weiter aus, hätten Verschwörungstheorien Hochkonjunktur. Die mit Abstand beliebteste darunter sei die von der Islamisierung Europas. "Wirklich gefährlich wird es allerdings dort, wo Rechtspopulisten sich der Überfremdungsängste bei Teilen der Bevölkerung bedienen und diese im gemeinsamen Schulterschluss etwa bei Protestveranstaltungen gegen den Bau einer Moschee ausleben." Hier entstünden neue Aktionsfelder zur Einbindung bürgerlicher Gruppen in rechte Bewegungen.

Perfide Gemeinsamkeit

"Als Beispiel sei nur ,Pro Köln’ genannt", sagte Benz. Besonders bedenklich hierbei sei der Umstand, dass der Übergang von Rechtspopulismus zu Rechtsextremismus fließend sei. Die perfide Gemeinsamkeit zwischen Antisemitismus und Muslimfeindschaft sei die Instrumentalisierung von Feindbildern. In beiden Fällen werde mit Stereotypen hantiert. "Dabei ist mir jedoch wichtig zu betonen, dass es mir bei der Beschreibung dieser Analogie nicht darum geht, Juden und Muslime mit einander gleichzusetzen, sondern Gemeinsamkeiten bei den Mustern ihrer Diskriminierung herauszuarbeiten", betonte er.

Haltung nicht auf Kleinbürgertum beschränkt

Derer gebe es viele, sagte er weiter. "Vorurteile speisen sich stets aus Imaginationen. Typisch ist auch, dass Personen, die Vorurteile pflegen, sich lieber emotional ausagieren als einen intellektuellen Ansatz zu verfolgen. Zum anderen beharren sie gerne auf ihren politischen Positionen und sind nicht offen für neue Erkenntnisse."
Hervorzuheben sei dabei jedoch, dass sich diese Haltung nicht etwa auf die Kreise des Kleinbürgertums beschränke, sondern sich durch alle Schichten der Gesellschaft ziehe. "Dabei treiben sie dieselben Sorgen um, wie damals die Antisemiten im Dritten Reich: Etwa die Angst vor Überfremdung oder vor kultureller Expansion."

Es gibt keine Weltverschwörung der Muslime

Diese Ängste, so Benz, sei für so manchen allerdings bares Geld wert: "Mit ihren Verschwörungstheorien tingeln einige Autoren durch die Talkshows und bemühen sich, als Experten wahrgenommen zu werden – allerdings als Experten für Dinge, die nicht existieren: Es gibt schlicht keine Weltverschwörung der Muslime, wie sie mancher dieser zweifelhaften Autoren ausgemacht haben will. Nichtsdestotrotz verkaufen sich solche Thesen glänzend."

Die Extremismusforschung, so das Fazit von Benz an diesem Abend, komme zu einem eindeutigen Schluss: "Das Feindbild der Juden wird heute durch das Feindbild der Muslime ersetzt." Wieder gehe es um die Ausgrenzung einer Minderheit. "Höchste Zeit", so der Appell des Autors, "diese Diskriminierungsmechanismen zu verstehen und schließlich zu verhindern." Die Deutschen müssten endlich aus ihrer Geschichte lernen. "Denn was ist die Kultur der Erinnerung, auf die wir in Deutschland so stolz sind, wert, wenn wir die Diskriminierung der Juden heute bei einer anderen Gruppe wiederholen?"

Montag, 12. November 2012

Rechtsextremismus-Studie: Jeder dritte Ostdeutsche ist ausländerfeindlich

Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung analysierte in einer aktuellen Studie extremistische Einstellungen in Deutschland - die Ergebnisse sind alarmierend: Im Osten Deutschlands ist Rechtsextremismus weit verbreitet. Doch nicht nur dort: Landesweit gibt es 60% Zustimmung für islamfeindliche Aussagen. Jeder zehnte Deutsche sehnt sich gar nach einem "Führer". 
Ein Beitrag aus der SZ

Rechtsextreme Einstellungen nehmen in Deutschland zu. Neun Prozent aller Deutschen haben ein "geschlossenes rechtsextremes Weltbild", zeigt die aktuelle Studie "Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012"  der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Vor zwei Jahren waren es noch 8,2 Prozent. Befragt wurden 2513 Menschen in Deutschland. Besonders auffällig ist, dass sich der Osten weiter radikalisiert. Knapp 16 Prozent der Menschen in den neuen Bundesländern haben der Studie zufolge ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild - der höchste bisher gemessene Wert.

Samstag, 29. September 2012

Muhammed-Schmähvideo: Spot an!

Präsident Obama und Außenministerin Clinton haben in pakistanischen Fernsehsendern einen Spot geschaltet, in dem sie sich von dem Muhammed-Video distanzieren. Eine angemessen Reaktion? 
Ein Kommentar von Christian Geyer, FAZ

In so einer manipulierten Situation, in der Provokateure sich hinter der Meinungsfreiheit verstecken und politische Extremisten sich als Religionskämpfer ausgeben - in diesem Schauspiel kann es nur darum gehen, mit praktischer Vernunft auf beiden Seiten deeskalierend zu wirken, statt einen blutigen Prinzipienstreit auszukämpfen. Das hat der Karikaturist Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste, vor Augen, wenn er nach den jüngsten französischen Mohammed-Karikaturen davon abrät, sich jedes Recht, das einem zusteht, zu jeder Zeit herauszunehmen: „Es gibt keine Meinungsfreiheit ohne Verantwortung. Das müssen die Kollegen mit sich selbst abmachen, ob sie in dieser Situation noch einmal Öl ins Feuer gießen, wenn es schon brennt. Das muss man trotz Satire gut abwägen.“

Auch die Frage, ob das Muhammed-Video hierzulande öffentlich aufgeführt werden sollte, möchte Staeck situativ, nicht prinzipiell besprochen sehen (also nicht nach dem Motto: Meinungsfreiheit jetzt!, koste es, was es wolle). Im konkreten Fall, in dem die Gruppe Pro Deutschland eine gezielte Provokation probt, stelle sich vernünftigerweise die Frage so: „Will man dieser kleinen, rechten Splittergruppe die Freude gönnen, dass sie den Film öffentlich aufführen lassen kann? Da appelliere ich an die Kinobesitzer von Berlin, sich diesem Film zu verweigern.“

Auf deeskalierender Linie läuft auch der Spot, den Präsident Obama in pakistanischen Fernsehsendern geschaltet hat, in dem er selbst und Außenministerin Clinton sich von dem Muhammed-Video distanzieren: „Wir lehnen den Inhalt und die Botschaft absolut ab.“ Die volkspädagogische Pointe: Ein westlicher Filmemacher ist nicht der Westen, und nicht jeder Schmäh gehört verboten geschweige denn mit Gewalt beantwortet.

Das mag, millionenfach unters pakistanische Volk gebracht, eine Geste zur rechten Zeit sein; man wird sie von den jeweiligen islamischen Kreisen ebenso gut als Aufklärung wie als Propaganda hinstellen können. Dass der pakistanische Premier das Muhammed-Video kurz vor dem Freitagsgebet als „Angriff auf 1,5 Milliarden Muslime“ wertete, sieht eher nach Scharfmacherei aus, als solle eine mögliche besänftigende Wirkung des Obama-Spots im Keim erstickt werden.

Dienstag, 18. September 2012

Der hohe Preis der Meinungsfreiheit

Die heftigen Proteste gegen das Muhammed-Schmähvideo lassen nicht nach. In Deutschland und den USA ist jetzt eine Diskussion darüber entbrannt, wie sich die Verbreitung des Films unterbinden lässt. Bundesinnenminister Friedrich (CSU) will unbedingt verhindern, dass Rechtspopulisten den Film zeigen. Das Weiße Haus intervenierte sogar bei Youtube - ein extrem ungewöhnlicher Schritt.
Von Peter Blechschmidt und Alexandra Borchardt, SZ 

Die rechtspopulistische "Bürgerbewegung pro Deutschland" präsentiert es als einen Akt der Meinungsfreiheit. Sie will den islamfeindlichen Film "Innocence of Muslims" in Berlin zeigen, wie sie auf ihrer Internetseite ankündigte, auf der zunächst auch Auszüge aus dem Film abrufbar waren.

Afghan protesters set fire to a U.S. flag as they shout slogans during a demonstration in Kabul
Antiamerikanische Proteste in der afghanischen Hauptstadt Kabul. (© REUTERS)
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht darin einen Versuch, Islamisten auch in Deutschland zu provozieren. "Damit gießen sie grob fahrlässig Öl ins Feuer", sagte Friedrich dem Spiegel. "Dagegen muss man mit allen rechtlich zulässigen Mitteln vorgehen." Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick unterstützte am Sonntag das Vorhaben des Ministers.

Das ist leichter gesagt als getan. Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland ein hohes Gut und wird vom Grundgesetz garantiert. Möglicherweise könnte man versuchen, der Gruppe wegen eines Verstoßes gegen die Völkerverständigung oder Verunglimpfung eines religiösen Bekenntnisses beizukommen, doch würden solche Schritte gerichtliche Auseinandersetzungen ungewissen Ausgangs bringen.

Donnerstag, 19. Juli 2012

Apppell vom Minister: Betriebe sollten auf fastende Beschäftigte Rücksicht nehmen

Am 20. Juli beginnt für Millionen von Muslimen in Deutschland der Fastanmonat Ramadan. Der Nordrhein-Westfälische Minister für Arbeit, Integration und Soziales, Guntram Schneider, appeliert an die Betriebe, dass sie in diesem Monat besonders Rücksicht auf die Bedürfnisse der Muslime nehmen sollten. Die Mitteilung aus dem Ministerium ist wie folgt:

Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales teilt mit:

Arbeits- und Integrationsminister Guntram Schneider hat die Betriebe aufgerufen, während des islamischen Fastenmonats Ramadan Rücksicht auf muslimische Beschäftigte zu nehmen. „Die Fastenzeit ist für Muslime ein zentrales Element ihres Glaubens. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollten ihren Beschäftigten die Möglichkeit geben, gefahrlos zu fasten und auch Raum für die rituellen Gebete schaffen“, sagte der Minister anlässlich der am Freitag beginnenden Fastenzeit.

Minister für für Arbeit, Integration und Sozialesin NRW: Guntram Schneide

Dienstag, 17. Juli 2012

Beschneidung in Deutschland - Eine Komiker-Nation debattiert

Der Aufschrei nach dem Urteil eines Deutschen Gerichts, die Beschneidung künftig unter Strafe zu stellen, war riesig. Doch um was ganau geht es hier eigentlich?
Ein Kommentar von Jörg Lau, Die Zeit
 
«Ich will nicht, dass Deutschland das einzige Land auf der Welt ist, in dem Juden nicht ihre Riten ausüben können. Wir machen uns ja sonst zur Komiker-Nation.» Da hat die Kanzlerin mal was richtig erkannt.

Die Muslime hätte sie allerdings gerne einbeziehen können. Tut sie aber bezeichnender Weise nicht. Denn Ausgangspunkt der Debatte war ja der Fall eines vierjährigen Muslims. Dass die Oberstaatsanwältin, die den Fall in Köln vor Gericht brachte, auch gegen einen weißbärtigen Mohel vorgegangen wäre, kann ich mir nicht vorstellen. Noch fällt es schwer, sich auszumalen, dass wir demnächst wegen Körperverletzung einen Rabbiner in der Synagoge verhaften.

Nein, wohl eher nicht. Aber einem syrischstämmigen Arzt kann man eben schon mal die Instrumente zeigen. Es fällt in Deutschland einfach leichter, Muslime über ihr “Barbarentum” zu belehren als Juden. Jedenfalls noch.

Freitag, 29. Juni 2012

Im Reißwolf des Verfassungsschutzes

Versehen oder Vertuschung? Bei den Ermittlungen zur Neonazi-Mordserie ist dem Verfassungsschutz eine gravierende Panne unterlaufen. Die Behörde vernichtete in dem Zusammenhang Akten, nachdem das Trio aus Zwickau bereits mehrere Tage aufgeflogen war.
Von Matthias Gebauer und Sven Röbel, Der Spiegel

Heinz Fromm und Jörg Ziercke (2011): Aktenvernichtung durch den Verfassungsschutz
Heinz Fromm und Jörg Ziercke (2011): Aktenvernichtung durch den Verfassungsschutz

Wenn es um die behördlichen Ermittlungen im Fall der rechten Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" geht, hat man sich an das Wort Versagen beinahe gewöhnt. Sieben Monate nach dem Auffliegen des Trios und seiner Mordserie gibt es nun weitere Belege, dass Polizei und Geheimdienste schlecht zusammen- und teils sogar gegeneinander gearbeitet haben und Hinweise übersehen wurden.

Ein Untersuchungsausschuss im Parlament soll Aufklärung bringen. Vor ihm trat am Donnerstagmorgen der Chef des Bundeskriminalamts auf. Es war ein bitterer Moment für Jörg Ziercke. Schon zu Beginn der Sitzung musste er gravierende Fehler bei den Ermittlungen im Fall der Zwickauer Terrorzelle einräumen. "Wir haben versagt", sagte Deutschlands oberster Polizeiermittler für alle beteiligten Sicherheitsbehörden.

Auch wenn er für seinen Apparat keine konkreten Fehler zugeben wollte, sei man dem Schutzauftrag für die Bevölkerung nicht nachgekommen. Wer den BKA-Chef ein bisschen kennt, weiß, wie schwer dem Karrierebeamten solche Eingeständnisse fallen. Gleichsam wusste der BKA-Chef, dass seine Aussage an diesem Tag wohl nur eine Randrolle spielen würde.

Denn am Mittwochabend hatte das Bundesinnenministerium zunächst ausgewählte Abgeordnete und das Kontrollgremium für die Geheimdienste informiert, dass kurz nach dem Auffliegen der Zelle Anfang November 2011 im Bundesamt für Verfassungsschutz einige Akten gelöscht worden waren. Diese seien möglicherweise für die weiteren Ermittlungen relevant gewesen. 

Mittwoch, 27. Juni 2012

Körperverletzung - Gericht stellt Beschneidung unter Strafe

Dieses Urteil wird insbesondere unter Juden und Muslimen hohe Wellen schlagen: Dem Landgericht Köln zufolge ist die aus religiöser Überzeugung durchgeführte Beschneidung von Jungen künftig als Körperverletzung zu werten.
von Matthias Ruch, FTD

Wer Jungen aus religiösen Gründen beschneidet, macht sich wegen Körperverletzung strafbar. Dies hat das Landgericht Köln in einem wegweisenden Urteil entschieden. Weder das Elternrecht noch die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit können diesen Eingriff rechtfertigen, stellte das Gericht in seiner Urteilsbegründung klar.
Bundespräsident Joachim Gauck: "Die Muslime, die hier leben, ...
Bundespräsident Joachim Gauck: "Die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland.
Damit stellt erstmals ein deutsches Gericht den religiösen Brauch unter Strafe. Jährlich werden in Deutschland mehrere tausend Jungen in ihren ersten Lebensjahren auf Wunsch der Eltern beschnitten. In den USA wird sogar die Mehrheit aller Jungen - weitgehend unabhängig von der Religion - direkt nach Geburt beschnitten. Auch dort formiert sich nun aber massiver Widerstand gegen diese Praxis. Weltweit sind rund ein Viertel aller Männer beschnitten.

Über Jahrzehnte hatten Ärzte in Deutschland in einer juristischen Grauzone agiert, wenn sie Jungen aus rein religiösen Gründen beschnitten, ohne dass es eine medizinische Notwendigkeit gab. Bislang konnten sie sich jedoch darauf berufen, keine Kenntnis von der Strafbarkeit religiöser Beschneidungen gehabt zu haben. Selbst wenn ein Gericht den Einzelfall später als Körperverletzung anerkannte, musste der Arzt wegen des so genannten Verbotsirrtums freigesprochen werden. Mit dem Kölner Urteil fällt diese Möglichkeit nun weg.

"Das Urteil ist vor allem für Ärzte enorm wichtig, weil diese jetzt zum ersten Mal Rechtssicherheit haben", sagte Holm Putzke von der Universität Passau. Der Strafrechtler fordert seit Jahren ein ausdrückliches Verbot der religiösen Beschneidung. "Das Gericht hat sich - anders als viele Politiker - nicht von der Sorge abschrecken lassen, als antisemitisch und religionsfeindlich kritisiert zu werden", lobte Putzke. "Diese Entscheidung könnte nicht nur die zukünftige Rechtsprechung prägen, sondern im besten Fall auch bei den betroffenen Religionen zu einem Bewusstseinswandel führen, Grundrechte von Kindern zu respektieren."

Vor allem muslimische und jüdische Organisationen weisen die Forderungen nach einer Strafbarkeit der Beschneidung bislang entschieden zurück. Sie werten ein Verbot als "schweren Eingriff in das Recht auf freie Religionsausübung". Zum Kölner Urteil wollten sie sich am Montag auf Anfrage zunächst nicht äußern. Man wolle zunächst die Urteilsbegründung prüfen, hieß es.

Der Richterspruch dürfte für Diskussionen sorgen. Seit Jahren ringen Politik und Verbände um eine bessere Integration der muslimischen Bevölkerung. Wolfgang Schäuble berief dazu als Innenminister 2006 erstmals eine eigene Islamkonferenz ein. Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff sagte: "Der Islam gehört zu Deutschland." Sein Nachfolger Joachim Gauck variierte: "Die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland." Einige Muslime dürften das Kölner Urteil nun als einen Rückschritt auffassen. Experten gehen davon aus, dass nun weitere Fälle andernorts vor Gericht landen werden. Abschließend könnte die Frage nach der Strafbarkeit religiös motivierter Beschneidungen dann wohl vom Bundesverfassungsgericht geregelt werden.

Im Kölner Fall hatte ein muslimischer Arzt an einem vierjährigen Jungen auf Wunsch der Eltern eine Beschneidung vorgenommen. Zwei Tage später kam es zu Nachblutungen, die Mutter brachte den Jungen in die Kindernotaufnahme. Die Staatsanwaltschaft erhielt Kenntnis davon und erhob Anklage gegen den Beschneider. Nachdem das Amtsgericht den Eingriff für rechtens befand, legte sie Berufung ein. Das Landgericht wertete ihn jetzt als "schwere und irreversible Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit".

Freitag, 22. Juni 2012

Hetze gegen Özil - Innenminister Friedrich erbost

Die Internet-Anfeindungen gegen den türkischstämmigen deutschen Nationalspieler Mesut Özil haben Innenminister Friedrich auf den Plan gerufen. Er fordert Solidarität mit all unseren Spielern.
Ein Bericht aus der Neuen Osnabrücker Zeitung 

Mesut Özil
© AFP Mesut Özil wurde Opfer übler Anfeindungen im Internet

In einem Gespräch mit der NOZ kritisierte Friedrich: „Der Fall Özil zeigt nur die Spitze des Eisbergs.“ Die Verwahrlosung der Umgangsformen im Internet sei „erschreckend“. Skeptisch äußerte er sich über die Chance, Twitter-Täter zu stellen. „Es gibt grundsätzlich Möglichkeiten, da die Täter im Netz Spuren hinterlassen. In vielen Fällen ist die Fahndung aber mangels Vorratsdatenspeicherung derzeit nicht Erfolg versprechend“, sagte der Minister.
 
Scharf kritisierte Friedrich auch kroatische Fans, die bei der EM erneut mit rassistischen Gesängen, Affengebrüll und Bananenattacken gegen farbige Spieler auffielen. „Diese Typen muss man isolieren und ihre hirnlosen Aktionen entlarven“, sagte er. „Rassismus darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Wir alle müssen uns diesen Auswüchsen mit aller Kraft entgegenstellen“, sagte der Innenminister. Als beschämend bezeichnete Friedrich auch „Sieg, Sieg“-Rufe deutscher Zuschauer ausgerechnet in der im Zweiten Weltkrieg von Deutschen besetzten Ukraine. Auch dass einige wenige sogenannte Fans die verbotene Reichskriegsflagge gezeigt hätten, mache ihn wütend. „Als deutscher Patriot schäme ich mich, wie diese Leute unser Ansehen in Europa und der Welt versuchen zu beschädigen“, betonte der Innenminister. Die überwältigende Mehrheit der Fußballfans habe damit nichts zu tun. Es dürfe nicht sein, dass diese verschwindend kleine Minderheit das Bild bestimme und Deutschlands Ansehen schade.

Montag, 21. Mai 2012

Wie Ayaan Hirsi Ali Breiviks Massenmord erklärt

Skandal beim Springer-Ehrenpreis: Die niederländische Publizistin und Politikerin Ayaan Hirsi Ali erhielt vom Springer-Verlag einen Ehrenpreis. Im Dankesvortrag sprach sie über „Anwälte des Schweigens“, eine „informelle Zensur“ und machte sich die Argumentation des norwegischen Massenmörders Breivik zu eigen. Ein Skandal, der weitestgehend unbemerkt blieb.
von Stefan Buchen (Cicero)

Schlagzeilen machte vergangene Woche die diesjährige Verleihung des Henri-Nannen-Preises in Hamburg. Drei Journalisten der Süddeutschen Zeitung sorgten für einen Eklat. Sie lehnten einen der Preise ab, weil sie nicht zusammen mit zwei Journalisten der Bildzeitung ausgezeichnet werden wollten. Zeitgleich, aber unbemerkt von der Öffentlichkeit ereignete sich im Verlagshaus der Bildzeitung in Berlin ein Skandal, bei dem nicht zwei Springer-Journalisten diffamiert wurden, sondern Springer der Diffamierung eine große Bühne bot. Dieser Skandal reicht weiter, weil es dabei um Leben und Tod geht.

Anlässlich des 100. Geburtstages des Verlagsgründers vergab die Jury des Axel-Springer-Preises für junge Journalisten einen Ehrenpreis an die aus Somalia stammende islamkritische Publizistin und Politikerin Ayaan Hirsi Ali. Friede Springer, die Witwe Axel Springers, spendierte der Geehrten ein Preisgeld von 25.000 Euro.

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Ayaan Hirsi Ali sorgt bei der Springer-Preisverleihung für einen handfesten Skandal

Man habe eine Haltung auszeichnen wollen, die von Mut geprägt sei, begründete Jury-Mitglied Marc Thomas Spahl die Entscheidung. Laudator Leon de Winter hob Hirsi Alis unerschrockenen Einsatz für die Freiheit und ihr Verdienst hervor, ohne Unterlass vor der islamischen Bedrohung zu warnen. Hirsi Ali wurde als eine Frau auf den Schild gehoben, die für die Werte des Westens und gegen den gewalttätigen intoleranten Islam einsteht.

Samstag, 21. April 2012

Muslim-Studie ging doch vorab an Bild-Zeitung

Eine Studie über, die von der Bild-Zeitung vor Veröffentlichung falsch widergegeben wurde, sorgt in Berlin für Wirbel. Wurde die Studie zu angeblich integrationsunwilligen jungen Muslimen vorab an die Bild-Zeitung weitergegeben? Nein, sagte Innenminister Friedrich im Fernsehen. Nein, sagte sein Staatssekretär im Bundestag. Ja, muss das Ministerium nun auf eine Anfrage der Linken zugeben. Die Opposition spricht schon vom "Lügenminister".
Ein Bereich von Roland Preuß, SZ

Das Bundesinnenministerium hat eingeräumt, den Bundestag im Zusammenhang mit der Vorab-Veröffentlichung einer Muslim-Studie im Frühjahr falsch informiert zu haben. Dies geht aus der Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Linken hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Linke forderte eine Erklärung und Entschuldigung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich.

Innenminister Hans-Peter Friedrich
Sein Ministerium gab eine Studie zu jungen Muslimen vorab an die Boulevard-Presse: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich bei der Islamkonferenz 2012. (© dapd)
Die Anfrage geht auf einen Presse-Bericht über radikale Muslime Ende Februar zurück. "Junge Muslime verweigern Integration", war auf bild.de zu lesen, der Artikel berief sich auf eine Studie, die schon lange im Bundesinnenministerium lag - und nun in der Redaktion des Blattes. Der Artikel berichtet von angeblichen Massen von Integrationsverweigerern und Sympathien für den Islamismus unter jungen Muslimen, was nicht wirklich die Aussagen der 760-Seiten-Studie sind.

Autoren der Studie distanzierten sich und sprachen von Verzerrung. Die Islamwissenschaftlerin Armina Omerika nahm Innenminister Hans-Peter Friedrichs Umgang mit der Studie zum Anlass, am Mittwoch ihren Austritt aus der Islam-Konferenz zu erklären. Schnell kam der Verdacht auf, Friedrich habe die Studie lancieren lassen, doch er dementierte. "Also, diese Studie ist nicht aus meinem Haus herausgegeben worden", sagte er im ZDF. Später sagte Innenstaatssekretär Christoph Bergner im Bundestag: "Es hat keine öffentliche oder wie auch immer geartete Übergabe dieser Studie durch das Bundesinnenministerium an die Medien gegeben." 

Studie angeblich nötig zur Vorbereitung eines Interviews

Nun musste das Bundesinnenministerium in einer Antwort auf die Anfrage einräumen, dass dies eine Falschauskunft an die Abgeordneten war - kurz vor Beginn des diesjährigen Treffens der Deutschen Islamkonferenz am Donnerstag. In der Antwort schreibt das Ministerium, dass die Bild-Zeitung von der Pressestelle doch ein Vorabexemplar der Studie erhielt, angeblich zur Vorbereitung eines Interviews mit dem Minister.

Vorabexemplare werden vor der offiziellen Veröffentlichung verschickt. Weil das Ministerium die Studie am 1. März online stellte, muss es die Bild-Zeitung also früher erhalten haben. Bild.de hatte einen Tag zuvor, am 29. Februar, berichtet. Nach Darstellung des Ministerium wusste Friedrich davon nichts.

Die Initiatorin der Anfrage, Sevim Dagdelen (Linke), kritisierte Friedrich scharf und bezeichnete ihn als "Lügenminister". Er und Staatssekretär Bergner hätten den Bundestag getäuscht. Der Innenminister müsse sich bei den Studienautoren entschuldigen und gegenüber dem Parlament "dringend erklären".

Mittwoch, 18. April 2012

Inkognito zum neuen Job

Frau in gebärfähigem Alter, vielleicht gar mit ausländischem Namen? Die Qualifikationen können noch so gut sein, die Chancen stehen bei Bewerbungen trotzdem schlecht. Anonyme Bewerbungen, in einigen Ländern längst schon Alltag, können Abhilfe schaffen, wie ein Großversuch von fünf Unternehmen bewiesen hat. 
Von Roland Preuß, SZ

Es geht zum Beispiel um Frauen um die 30, mit Spitzenzeugnissen und sechs Jahren Berufserfahrung. Eigentlich eine großartige Grundlage für einen guten Job - oder gar eine Führungsposition. Doch bei der Bewerbung blickt der Chef auf das Geburtsdatum, zieht die Augenbraue hoch und lässt einen Verdacht keimen: Die Dame könnte bald schwanger werden. Kann sie als Mutter noch am Wochenende durcharbeiten, wenn ein Termin drängt? Muss er bald nach einem Ersatz suchen, wenn sie in Elternzeit geht?


Es sind solche Szenen, die zu einer Schieflage in Deutschlands Unternehmen beitragen. Frauen verdienen weniger und steigen seltener ins Management auf. Und wer Öztürk heißt, den laden viele Firmen gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch ein. Migranten - nein danke. Dies haben Studien bereits belegt.

Ein Pilotprojekt zeigt nun auf, wie mehr Chancengleichheit in die Personalabteilungen einziehen kann. Eineinhalb Jahre lang haben fünf Unternehmen und drei öffentliche Arbeitgeber anonymisierte Bewerbungen getestet, unter ihnen die Deutsche Post, L'Oréal und das Bundesfamilienministerium. An diesem Dienstag stellt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin die Ergebnisse vor. In dem Bericht, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, kommen die Autoren vom Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) und der Viadrina-Universität Frankfurt an der Oder zu dem Schluss, dass anonyme Bewerbungen denen, die sonst unter Pauschalurteilen leiden, zugutekommen.

Sonntag, 19. Februar 2012

Nach Wulffs Rücktritt: Was Merkel den NSU-Opfern sagen muss

Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Wulff wird nun Angela Merkel die geplante Rede bei der Trauerfeier für die Opfer der NSU-Mordserie halten. Eine Chance für Merkel, das Vertrauen der Türkischen Community zurück zu gewinnen. 
Ein Kommentar von Jörg Lau, Die Zeit

Christian Wulff, der am Freitag zurückgetreten ist, hatte sich das Thema des inneren Zusammenhalts der Einwanderungsgesellschaft als Schwerpunkt ausgesucht. Er hatte mit seinem Satz über den Islam etwas Richtiges getroffen. Auch die Reaktion seiner Gegner, teilweise aus der eigenen Partei, ja aus dem Kabinett (Friedrich) hat das bewiesen. Dass er nun erkannt hat (wenn auch erst durch die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens!), dass er nicht mehr der Richtige ist für den Job des Präsidenten und für diese Mission, ist zu begrüßen. Es ging einfach nicht mehr.

In seinem Statement sagte er:
Es war mir ein Herzensanliegen, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken. Alle sollen sich zugehörig fühlen, die hier bei uns in Deutschland leben, eine Ausbildung machen, studieren und arbeiten, ganz gleich, welche Wurzeln sie haben. Wir gestalten unsere Zukunft gemeinsam. Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Kraft am besten entfalten und einen guten Beitrag zur europäischen Einigung leisten kann, wenn die Integration auch nach innen gelingt.
Wulff hätte gerne am kommenden Donnerstag die Trauerfeier für die Opfer der NSU-Mordserie geleitet. Nun wird die Bundeskanzlerin seine Aufgabe übernehmen und dort sprechen. Einfach wird das nicht. Aber es ist gut, dass die Kanzlerin selber in die Lücke geht und ein Zeichen setzt. Es wird nämlich unterschätzt, wie erschüttert viele türkische Deutsche von dieser Mordserie, vom Versagen der Behörden und der Medien (“Dönermorde”) bis heute sind. Schon die letzten Jahre einer zunehmend als Demütigung und Kujonierung empfundenen “Integrationsdebatte” haben viel Schaden angerichtet. Der Erfolg des Buchs von Thilo Sarrazin wurde als eine Abstimmung gegen Türken an der Ladenkasse empfunden. Mehrere türkische Bekannte haben mir erzählt, dass sie in Folge dieser Debatte Freunde verloren haben. Es wurde nicht verstanden, dass sie Sarrazins Buch und seine Interventionen – von den “Kopftuchmädchen” über die “Gemüsehändler” bis zu den “belgischen Ackergäulen” als persönliche, ehrabschneidende Angriffe empfanden. Und dass die breite Zustimmung der Bevölkerung die Sache erst recht schlimm machte.

Freitag, 17. Februar 2012

Brandanschlag auf türkische Tageszeitung "Zaman"

In Köln wurde die Redaktion der türkischsprachigen Zeitung und ein türkisches Lokal angegriffen. Nach ersten Ermittlungen vermutet die Polizei einen politischen Hintergrund.
Ein Bericht aus der "Stern"
 
Brandanschlag, Köln, Türken, Zeitungsredaktion, Anschlag
Auf die Räume der Redaktion von "Zaman" wurde ein Brandanschlag verübt© Frank Fuchs/DPA

Auf die Kölner Redaktionsräume der türkischsprachigen Tageszeitung "Zaman" ist ein Brandanschlag verübt worden. Die Polizei nahm am Donnerstag zwei Verdächtige fest, die am späten Mittwochabend einen Molotowcocktail ins Erdgeschoss der Redaktion geworfen haben sollen. Die Ermittler vermuten nach Angaben einer Kölner Polizeisprecherin, dass die 17 und 22 Jahre alten mutmaßlichen Täter politisch motiviert gehandelt haben.

Freitag, 27. Januar 2012

Kardinal Marx: Muslime gehören jetzt zu uns

Die Debatte nach Wullfs Rede zur Einheitsfeier und seine Äußerungen zum Islam gehen weiter. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat nun vor einer Ausgrenzung der muslimischen Zuwanderer gewarnt. "Wir müssen ihnen helfen, hier eine Heimat zu finden", forderte der Erzbischof von München und Freising am Mittwochabend in Berlin.
Ein Berich aus RP Online 


Kardinal Marx: "Die Menschen, die daran glauben, gehören jetzt zu uns." Foto: dpa, Frank Leonhardt
Kardinal Marx: "Die Menschen, die daran glauben, gehören jetzt zu uns.

Zwar gehöre der Islam nicht in dem Maße zur Geschichte Europas wie das Christentum, sagte er in Anspielung auf die umstrittene Äußerung von Bundespräsident Christian Wulff, der Islam gehöre inzwischen auch zu Deutschland. "Aber die Menschen, die daran glauben, gehören jetzt zu uns", betonte der Kardinal bei einer Veranstaltung in der Vertretung Bayerns in der Bundeshauptstadt.

Marx rief zum Dialog mit dem Islam auf. Dies könne "die Muslime kräftigen, die sich unserer Kultur und unseren Werten anpassen wollen". Ein solcher Dialog dürfe aber nicht bedeuten, "die christliche Prägung Europas verächtlich beiseite zu schieben". So sei es nicht erforderlich, ein Kreuz aus einem Kindergarten zu entfernen, weil dort auch muslimische Kinder betreut würden.

Finanzkrise wäre vermeidbar gewesen

Die Finanzkrise wäre nach Auffassung von Kardinal Marx bei Beachtung der christlichen Soziallehre vermeidbar gewesen. Deren Grundprinzipien seien kapitalismuskritisch, sagte er. Der "Casino-Kapitalismus", der nur um die Kapitalrendite kreise, habe sich als nicht zukunftsweisend erwiesen. Die Soziallehre der Kirchen könne mit ihrer Hochschätzung der menschlichen Arbeit deshalb eine "Quelle der Erneuerung" sein, betonte Marx, der früher Professor für Christliche Gesellschaftslehre war.

Marx sprach bei einer Veranstaltung in der Vertretung Bayerns in der Bundeshauptstadt zum Thema "Warum unsere Gesellschaft das Zeugnis der Christen braucht".

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Die vergiftete Gesellschaft

Fremdenfeindlichkeit und Rechtspopulismus sind in Deutschland auf dem Vormarsch. In einer über zehn Jahre angelegten Studie "Deutsche Zustände" kommt Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer zu dem Befund, dass die Abwertung von Minderheiten wie Langzeitarbeitslosen, Zuwanderern und Behinderten deutlich zugenommen hat. "Etwa 10% der Deutschen denken durch und durch rechts", stellt Heitmeyer fest. Die Gewaltbereitschaft der Rechtspopulisten hätten im letzten Jahr um 16% zugenommen. Insbesondere Muslimen begegneten die Deutschen skeptisch bis feindselig. Über 50% der Befragten sagen heute, sie hätten große Probleme, in eine Gegend zu ziehen, in der viele Muslime leben. Für das Klima in der Gesellschaft sei das alles andere als erfreulich, sagt Heitmeyer, "die Gesellschaft ist vergiftet". 
Ein Bericht aus Focus Online

Mit den wirtschaftlichen Problemen entwickelt sich in Deutschland vermehrt eine Atmosphäre sozialer Kälte. Die Menschen haben zunehmend das Gefühl, dass die Politik die Probleme des Landes nicht mehr regeln kann. Das hat Konsequenzen für die Meinung über schwache Gruppen. Sie werden zuerst Opfer der negativen Beurteilung der Lage. Die Abwertung von Obdachlosen, Arbeitslosen und Behinderten nimmt zu, die Fremdenfeindlichkeit steigt erneut an. Besonders Besserverdienende grenzen sich vermehrt von ärmeren Mitgliedern der Gesellschaft ab. Engagement und Solidarität werden immer stärker danach bemessen, ob sie sich auch wirtschaftlich lohnen. Das sind zentrale Ergebnisse der Langzeitstudie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (GMF) des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld jetzt vorgelegt hat.


Portrait: Wilhelm Heitmeyer
Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer bei der Präsentation seiner neuen Studie. Foto: Stephan Röhl

Mittwoch, 30. November 2011

Studie zur Zwangsehe missdeutet - Schröder in der Kritik

Kürzlich veröffentlichte das Ministerium für Familie eine Studie zur Zwangsverheiratung in Deutschland. Dass diese Studie ausgerechnet von der Familienministerin Schöder umgedeutet und fehlinterpretiert wird, stößt auf verheerende Kritik. Die Verfasser der Studie toben. 
Ein Bericht aus der Süddeutschen Zeitung

Kristina Schröder und die Wissenschaft - das ist eine Geschichte mit vielen Stolperfallen. Meist solche, die sie sich selbst gestellt hat. Jetzt ist sie wieder in solch eine Falle hineingetappt. Und das auf eine Art und Weise, dass man langsam ernsthaft die Frage nach der Befähigung der jungen Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stellen muss. 
Bundestag
Familienministerin Kristina Schröder hat Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats in ihrem Ministerium verärgert. Die Experten kritisieren, dass Schröder die Ergebnisse einer Studie zum Thema Zwangsehe falsch wiedergibt. (© dapd)

Es geht um eine Studie im Auftrag ihres Hauses, die sie Anfang November zum Anlass nahm, einen Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu schreiben. Einen Tag vor der offiziellen Veröffentlichung der Studie.

Das Thema ist heikel: Zwangsverheiratungen in Deutschland. Da können schnell antiislamische Ressentiments geschürt werden. Ein Umstand, der auch den Autoren der Studie bewusst war. Ministerin Schröder schien das jedoch herzlich egal zu sein. Ihr Aufsatz löste unter beteiligten Wissenschaftlern Empörung aus. Eine derart heftige Empörung, dass jetzt jene, die dem wissenschaftlichen Beirat des Schröder-Ministeriums angehören, mit einer schriftlichen Stellungnahme auf den Aufsatz der Ministerin reagiert haben.

Die Kritik der Forscher kann vernichtender kaum sein. Manches, was Schröder aus der Studie gezogen hätte, sei "schlichtweg falsch" und habe die Beiratsmitglieder "befremdet". Das fängt schon bei der Fallzahl an. Schröder schreibt in der FAZ: "3443 Fälle von Zwangsverheiratungen haben die Beratungsstellen in Deutschland für das Jahr 2008 registriert." In der Studie liest sich das ganz anders. Es seien "3443 Personen im Jahr 2008 in insgesamt 830 Beratungsstellen erfasst" worden. Davon seien "60 Prozent angedrohte und 40 Prozent vollzogene Zwangsverheiratungen".

Sonntag, 30. Oktober 2011

Almanya, das neue Deutschland

Am 30. Oktober 1961, also vor genau 50 Jahren kamen die ersten türkischen Gastarbeiter nach Deutschland, nachdem sich die Türkei und Deutschland in einem Zwei-Seiten-Papier mit der Überschrift "Deutsch-Türkisches Anwerbeabkommen" darauf geeinigt hatten. Die langfristigen Auswirkungen auf die Menschen und das Land war wohl keinem der Parteien bewusst. 
Ein Resümee von Heribert Prantl von der SZ

Die neue deutsche Geschichte begann vor fünfzig Jahren; sie begann 1961 an einem Montag, nach einem viel zu warmen Monat Oktober; sie begann so, dass niemand es merkte - irgendwie mickrig, ohne Trara, ohne Staatsbesuch, ohne Nationalhymnen, ohne feierliche Reden, ohne Händedruck; es gab keine in Leder gebundenen Urkunden, und niemand setzte ein bedeutendes Gesicht auf.

Türkische Gastarbeiter auf dem Düsseldorfer Flughafen
Türkische Gastarbeiter auf dem Düsseldorfer Flughafen. (© dpa)
Als staatsrechtlich bedeutsamen Akt verstand es niemand, dass da zwei Seiten Papier hin- und hergeschickt wurden. Im Text dieser zwei Seiten ging es ja nur um eine Art Liefervertrag: Das Auswärtige Amt in Bonn gab in einem kurzen Schreiben an die türkische Botschaft eine Bestellung auf - und die Botschaft beehrte sich mitzuteilen, dass sie gerne liefern werde. Es handelte sich nicht um die Lieferung von Haselnüssen für bundesdeutsche Kantinen, sondern um die Lieferung von billigen Arbeitern für die bundesdeutsche Wirtschaft, genannt "Vermittlung von türkischen Arbeitnehmern nach der Bundesrepublik Deutschland".