Von Peter Blechschmidt und Alexandra Borchardt, SZ
Die rechtspopulistische "Bürgerbewegung pro Deutschland" präsentiert es als einen Akt der Meinungsfreiheit. Sie will den islamfeindlichen Film "Innocence of Muslims" in Berlin zeigen, wie sie auf ihrer Internetseite ankündigte, auf der zunächst auch Auszüge aus dem Film abrufbar waren.
Antiamerikanische Proteste in der afghanischen Hauptstadt Kabul. (© REUTERS) |
Das ist leichter gesagt als getan. Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland ein hohes Gut und wird vom Grundgesetz garantiert. Möglicherweise könnte man versuchen, der Gruppe wegen eines Verstoßes gegen die Völkerverständigung oder Verunglimpfung eines religiösen Bekenntnisses beizukommen, doch würden solche Schritte gerichtliche Auseinandersetzungen ungewissen Ausgangs bringen.
Einreiseverbot gegen US-Pastor
Aus Friedrichs Behörde hieß es am Sonntag, die Äußerung des Ministers sei als Appell an Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu verstehen, die rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen. Im Justizministerium reagierte man wenig erfreut über diesen Auftrag. Gehe es um die Sicherheit bei öffentlichen Veranstaltungen, seien die Innenbehörden der Länder zuständig, hieß es. Die Ministerin äußerte sich nur allgemein. "Zu den Errungenschaften Deutschlands gehört nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch ein behutsamer Umgang mit dieser Freiheit", sagte Leutheusser-Schnarrenberger der SZ. " Ich rufe dazu auf, den Glauben anderer zu respektieren und religiöse Gefühle nicht zu verletzen."
Was genau Pro Deutschland unter "zeigen" versteht, blieb am Sonntag unklar. Auf der Internetseite hieß es, an "die Vorführung im November in Berlin" solle sich eine Podiumsdiskussion anschließen, zu der auch Vertreter der Berliner Muslime eingeladen würden. Im August hatte die Gruppierung vor Berliner Moscheen Muhammed-Karikaturen gezeigt und damit heftige Proteste von Muslimen provoziert. Versuche, die Kundgebungen zu verbieten, waren vor dem Berliner Verwaltungsgericht gescheitert. Nicht zuletzt diese Gerichtsentscheidung hatten islamische Prediger in der sudanesischen Hauptstadt Khartum am Freitag zum Anlass genommen, ihre Gläubigen zum Angriff auf die dortige deutsche Botschaft anzustacheln.
Die Behörden haben zumindest eine sichere Möglichkeit, "Pro Deutschland" Grenzen zu setzen. Als Reaktion auf die Ankündigung der Gruppe, den amerikanischen Prediger und Islam-Gegner Terry Jones nach Deutschland einzuladen, verhängte das Innenministerium am Sonntag ein Einreisverbot gegen den US-Pastor.
In den USA ist am Wochenende eine Debatte darüber entbrannt, ob Internetkonzerne Einfluss auf kontroverse Inhalte nehmen sollten, die auf ihren Plattformen veröffentlicht werden. Anlass ist die Absage Googles an das Weiße Haus, das umstrittene über die Konzern-Tochter Youtube verbreitete Video generell zu blockieren.
Der amerikanische Sicherheitsrat hatte Google am Freitag gebeten zu prüfen, ob der Film Vorgaben des Internetkonzerns verletze und er auf dieser Basis aus dem Netz verbannt werden könnte. Nach Ansicht von Experten ist das ein extrem ungewöhnlicher Schritt einer US-Regierung, da die amerikanische Verfassung das Recht auf freie Meinungsäußerung als höchstes Gut schützt. Google hatte in eigener Initiative verfügt, dass der Clip in Ägypten und Libyen wegen der Ausschreitungen dort nicht zu sehen war. Außerdem blockierte er das Video in Indien und Indonesien, weil beide Länder darum gebeten hatten.
In einer Stellungnahme von Youtube heißt es, man arbeite hart daran, eine Umgebung für Meinungsfreiheit zu schaffen. "Das kann eine Herausforderung sein, denn was in einem Land in Ordnung ist, kann in einem anderen als verletzend wahrgenommen werden", hieß es weiter, und: "Dieses Video . . . bewegt sich klar innerhalb unserer Regeln." Der Clip bleibe deshalb online.
Google als Wächter über Gut und Böse
Zwar folgt das Film-Portal dem Grundsatz, dass Beiträge mit volksverhetzendem Inhalt blockiert werden können. Dieser greife jedoch nur, wenn einzelne Menschen verunglimpft würden, nicht aber der Islam insgesamt. Auf den Film sei er deshalb nicht anwendbar. In Indien und Indonesien hingegen verletze der Clip Landesgesetze. In solchen Fällen würden Inhalte am jeweiligen Ort gesperrt.
Google hatte 2007 Regeln für den Umgang mit kontroversen Inhalten verabschiedet. Diese gelten nach Angaben des Unternehmens noch immer. Das Recht auf Meinungsäußerung sei darin ein wichtiger Grundsatz, doch auch dafür müsse es in einem Konzern Grenzen geben, der in mehr als 100 Ländern mit unterschiedlichen Gesetzen und Normen verfügbar ist. Den Internetkonzernen kommt damit eine immense Bedeutung zu, wenn es darum geht, zwischen Gut und Böse zu entscheiden - auch wenn sie diese Rolle herunterspielen.
Youtube überprüft Videos, sobald viele Nutzer Filme als unangemessen melden oder wenn Regierungen oder Gerichte deren Blockade verlangen. Nach Angaben der New York Times ist Google im vergangenen Jahr 1965-mal von Behörden gebeten worden, Inhalte aus dem Netz zu nehmen. Es ging um mehr als 20 000 Stücke.
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