Frau in gebärfähigem Alter, vielleicht gar mit ausländischem
Namen? Die Qualifikationen können noch so gut sein, die Chancen stehen
bei Bewerbungen trotzdem schlecht. Anonyme Bewerbungen, in einigen Ländern längst schon Alltag, können Abhilfe
schaffen, wie ein Großversuch von fünf Unternehmen bewiesen hat.
Von Roland Preuß, SZ
Es geht zum Beispiel um Frauen um die 30, mit Spitzenzeugnissen und sechs Jahren Berufserfahrung. Eigentlich eine großartige Grundlage für einen guten Job - oder gar eine Führungsposition. Doch bei der Bewerbung blickt der Chef auf das Geburtsdatum, zieht die Augenbraue hoch und lässt einen Verdacht keimen: Die Dame könnte bald schwanger werden. Kann sie als Mutter noch am Wochenende durcharbeiten, wenn ein Termin drängt? Muss er bald nach einem Ersatz suchen, wenn sie in Elternzeit geht?
Ein Pilotprojekt zeigt nun auf, wie mehr Chancengleichheit in die Personalabteilungen einziehen kann. Eineinhalb Jahre lang haben fünf Unternehmen und drei öffentliche Arbeitgeber anonymisierte Bewerbungen getestet, unter ihnen die Deutsche Post, L'Oréal und das Bundesfamilienministerium. An diesem Dienstag stellt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin die Ergebnisse vor. In dem Bericht, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, kommen die Autoren vom Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) und der Viadrina-Universität Frankfurt an der Oder zu dem Schluss, dass anonyme Bewerbungen denen, die sonst unter Pauschalurteilen leiden, zugutekommen.
Frauen und Zuwanderer haben danach in der Regel dieselben Aussichten, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, wie andere Gruppen, sie haben also die gleichen Chancen auf einen Termin beim Chef. IZA-Präsident Klaus Zimmermann spricht von einem "vielversprechenden Ansatz", ihre beruflichen Möglichkeiten "signifikant zu verbessern".
Bei dem Großversuch mit gut 8500 Bewerbungen hatten die Arbeitgeber zunächst auf Angaben wie Foto, Name, Alter und Geschlecht verzichtet. Mal mussten die Aspiranten einen Online-Fragebogen ausfüllen, mal wurden verräterische Zeilen geschwärzt. Für die Vorentscheidung zählten also nur die Fakten wie Abschlüsse und Berufserfahrung. Erst vor dem Bewerbungsgespräch durften die Chefs Namen und Zeugnisse sehen. Dann aber haben die Bewerber nach Einschätzung der Forscher bereits die entscheidende Hürde überwunden, denn im persönlichen Gespräch wucherten Klischees weniger.
"Das Projekt hat gezeigt, dass anonymisierte Bewerbungen den Fokus auf die Qualifikation lenken", sagt die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders. Zudem habe sich das Verfahren als praktikabel erwiesen. Laut Bericht sehen die Personalverantwortlichen das neue Verfahren "durchgängig positiv", nur das Schwärzen von Unterlagen wird als aufwendig kritisiert. Auch die Jobsuchenden befürworten das Verfahren überwiegend, allerdings glaubt ein gutes Viertel von ihnen, dass ihre Chancen bei herkömmlichen Bewerbungen höher sind.
Vier Arbeitgeber des Pilotversuchs haben sich bereits dafür entscheiden, weiter auf anonymisierte Bewerbungen zu setzen, darunter der Geschenkedienstleister Mydays und das Bundesfamilienministerium. Es dürfte ein Vorteil im Wettbewerb um knapper werdende Fachkräfte sein. Die Bundesregierung hatte vergangenen Sommer bereits passenderweise formuliert, wer den Expertenmangel künftig beheben soll: vor allem Mütter und Migranten.
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