Dienstag, 17. Januar 2012

"Döner-Morde" ist Unwort des Jahres

Es war das Wort, das am häufigsten für den Negativpreis nominiert wurde: Eine Jury von Sprachkritikern hat "Döner-Morde" zum Unwort des Jahres 2011 gewählt. Der Begriff für die Attentate der Zwickauer Neonazi-Zelle verharmlose deren Verbrechen und sei höchst unangemessen, befanden die Juroren.
Ein Bericht aus dem Spiegel

Favoritensieg beim Unwort-Wettbewerb: 269-mal war der Begriff "Döner-Morde" von Bürgern als Vorschlag eingereicht worden; dem schloss sich nun die "Unwort"-Jury unter dem Vorsitz der Sprachwissenschaftlerin Nina Janich an: "Döner-Morde" ist das Unwort des Jahres 2011. Das teilte sie am Dienstag in Darmstadt mit. Das Schlagwort verharmlose die Mordserie an acht türkischstämmigen und einem griechischen Kleinunternehmer.

Die Kölner Keupstraße nach dem Anschlag 2004: "Döner-Morde" verharmlost Verbrechen
Die Kölner Keupstraße nach dem Anschlag 2004: "Döner-Morde" verharmlost Verbrechen

In einer beispiellosen Mordserie wurden zwischen 2000 und 2006 neun ausländische Kleinunternehmer mit derselben Pistole getötet. Da zwei der Opfer Döner verkauften, wurden die Verbrechen oft als "Döner-Morde" bezeichnet. Die Ermittlungen blieben erfolglos - bis die Tatwaffe in einem Versteck der rechtsextremen Zwickauer Zelle gefunden wurde.
Mit der sachlich unangemessenen, folkloristisch-stereotypen Etikettierung einer rechts-terroristischen Mordserie würden ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt und die Opfer selbst in höchstem Maße diskriminiert, indem sie aufgrund ihrer Herkunft auf ein Imbissgericht reduziert werden, befand auch die Jury. Der Ausdruck stehe prototypisch dafür, dass die politische Dimension der Mordserie jahrelang verkannt oder willentlich ignoriert wurde.
Schon kurz nachdem das erste Opfer von der Zwickauer Terrorzelle im Jahr 2000 getötet wurde, kam der Begriff "Döner-Morde" auf. Lange Zeit wurde auch spekuliert, ob die Opfer selber in kriminelle Machenschaften verstrickt gewesen wären und es sich bei den Morden um Racheaktionen aus dem türkisch-nationalistischen Milieu handele.
Die Jury, zu der neben vier Sprachwissenschaftlern und einem Journalisten als jährlich wechselndes Mitglied diesmal Heiner Geißler zählte, kritisierte auch zwei weitere Begriffe: "Gutmensch" greife das ethische ideal des "guten Menschen" auf hämische Weise auf, um Andersdenkende pauschal als naiv abzuqualifizieren. Und "Marktkonforme Demokratie" stehe für eine höchst unzuverlässige Relativierung des Prinzips, demzufolge Demokratie eine absolute Norm ist, die mit dem Anspruch von Konformität mit welcher Instanz auch immer unvereinbar ist.
Das Jahr 2011 verzeichnete mit 2420 Einsendungen einen historischen Höchststand der Bürgerbeteiligung. Nina Janich trat zum ersten Mal als Jury-Sprecherin auf, nachdem der langjährige Jury-Sprecher Horst-Dieter Schlosser im vergangenen Jahr auf eigenen Wunsch ausgeschieden war.
Zum "Unwort des Jahres 2010" war "alternativlos" gewählt worden. 2009 hieß das Unwort des Jahres "betriebsratsverseucht", 2008 "notleidende Banken". Neben der unabhängigen, sprachkritischen Jury wählt die Gesellschaft für deutsche Sprache das "Wort des Jahres". 2011 ist es der Modebegriff "Stresstest".

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