Unternehmergeist spricht viele Sprachen: Laut einer Studie gründen immer mehr Migranten Unternehmen in Deutschland. Der Italiener um die Ecke spielt dabei immer seltener eine Rolle - Einwanderer entdecken Geschäftsfelder jenseits von Gastronomie und Handel. Die ihnen zustehende Förderangebote lassen sie jedoch oftmals ungenutzt - aus Mangel an Kenntnis.
Ein Bericht von Thomas Öchsner (SZ)
Die Anzahl der Existenzgründungen durch ausländische Personen ist damit im Vergleich zu 2005 um ein Viertel gestiegen. "Im Jahr 2009 sind Ausländer mehr als dreimal so gründungsfreudig wie Deutsche", heißt es in der Studie. Bundeswirtschaftsministerin Philipp Rösler (FDP) sagte der SZ: "Unternehmensgründungen sind ein Lebenselixier für die deutsche Wirtschaft." Es sei ein gutes Zeichen für den Wirtschaftsstandort Deutschland, wenn mehr Gründer mit ausländischen Wurzeln hierzulande den Schritt in die Selbstständigkeit wagten. "Das sorgt für neuen Schwung."
Verändert hat sich laut der Untersuchung in den vergangenen Jahren vor allem die Herkunft der selbstständigen Migranten. 2005 gingen noch fast ein Drittel der Existenzgründungen durch Ausländer auf das Konto von Menschen aus Ländern, aus denen die Bundesrepublik früher die sogenannten Gastarbeiter anwarb, wie Italien oder der Türkei. 2009 kamen nur noch etwa ein Fünftel der ausländischen Gründer aus diesem Kreis. Große Zuwächse gab es dagegen bei den Gründern aus Osteuropa. Dies spiegelt sich auch in der Selbstständigen-Statistik wider: 2003 waren darin noch die Italiener stärkste Gruppe, gefolgt von den Türken, die später in dieser Rangliste zur Nummer eins aufstiegen.
Inzwischen stehen die Polen auf Platz eins. Sie seien "mit Abstand am gründungsaffinsten. Bezogen auf ihren Anteil an allen Erwerbspersonen versuchten sie sich 15-mal häufiger mit der Selbständigkeit als Deutsche", schreiben die Forscher. Zu sehen ist dies vor allem im Baugewerbe: Ein Drittel der polnischen Gründer ist der Studie zufolge in dieser Branche tätig, die meisten als Solo-Selbständige. Starke Zuwächse gibt es aber nicht nur bei Polen und Russen. Die Anzahl der Selbständigen aus Rumänien hat von 2005 bis 2009 um mehr als 63 Prozent zugenommen. Die wachsende Bedeutung der osteuropäischen Gründer führen die Forscher vor allem auf die verstärkte Zuwanderung zurück, vor allem von polnischen und russischen Staatsbürgern.
Auch die Branchen, in denen die ausländischen Existenzgründer tätig sind, ändern sich langsam: Immer mehr suchen ihre Chance als Dienstleister. "Die klassischen Migrantenbranchen Handel und Gastronomie verlieren zunehmend an Bedeutung", heißt es in der Studie.
Deutschland zu wenig international
Die Existenzgründer müssen jedoch noch viele Hürden überwinden: Selbst wenn die Neu-Unternehmer die deutschen Sprache beherrschen, gibt es Probleme. Ein Befragter sagte, sobald der Kunde bei einer Präsentation einen gewissen Akzent höre, werde es schwierig. "Deutschland ist zu wenig international." Hinzu kommt: Ausländische Gründer haben meist weniger Startkapital als einheimische Unternehmen und empfinden es häufig als schwierig, mit Banken und Ämtern zu verhandeln.
Sie kennen die Angebote der Förderbanken zu wenig und suchen deshalb gern Hilfe in der Familie oder bei Freunden. Die geringe Finanzausstattung sei ein besonders starkes "Risiko für die Nachhaltigkeit dieser Gründungen", stellen die Forscher fest. Außerdem sei das Qualifikationsniveau vieler Gründer nicht ausreichend, vor allem, wenn sie vorher arbeitslos waren. Dies führe zu einer hohen Fluktuation bei den Existenzgründungen.
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