München gibt sich gerne tolerant und weltoffen. Doch wie sieht es in der Realität aus? Forscher des Institutes für Soziologie der
LMU sind in Zusammenarbeit mit der Fachstelle
gegen Rechtsextremismus der Frage nachgegangen, wie weltoffen Münchner wirklich sind, indem sie sie zu Ihren Vorurteilen gegenüber gestimmten Gruppen befragt haben. Das Ergebnis ist Besorgnis erregend. Mitarbeiter
Christian Ganser erklärt vorab die Ergebnisse.
Ein Interview aus der SZ
SZ.de: Herr Ganser, Sie haben die Menschenfeindlichkeit der Münchner untersucht. Was hat Sie überrascht?
Christian Ganser: Wie viele Münchner dem Islam feindlich gesinnt
sind. Es gibt zu viele Muslime in Deutschland - dieser Aussage stimmen
mehr als 20 Prozent zu. Fast die Hälfte der Münchner findet sogar, dass
die muslimische Kultur nicht nach Deutschland passt. Das ist ein hoher
Wert, der mich aber eher persönlich überrascht hat. Deutschlandweite Studien kommen zu einem ähnlichen Ergebnis.
Nun ist München eine relativ reiche Stadt mit einer geringen Arbeitslosigkeit ...
Das hat aber kaum Einfluss. Die Münchner sind etwas weniger
ausländerfeindlich als der Rest der Deutschen. Ansonsten sind die
Ergebnisse ähnlich. Es ist nicht eine bestimmte Gruppe, also
beispielsweise nur die "Armen", die menschenfeindlich ist. Im Gegenteil:
Eine solche Einstellung ist weitverbreitet. Ein wenig geht sie einher
mit dem Gefühl, man habe politisch keinen Einfluss. Und Männer sind
Obdachlosen und Muslimen etwas feindlicher gesinnt. Aber man kann nicht sagen, dass Muslimfeindlichkeit ein typisch männliches Problem wäre.
Arbeitslose, Homosexuelle, Obdachlose - wie kommen Münchner mit solchen Gruppen zurecht?
Insbesondere Langzeitarbeitslosen stehen viele Münchner
feindselig gegenüber. Fast die Hälfte der Befragten zeigte sich
skeptisch. Bei Obdachlosen sind es immerhin noch 23,5 Prozent. Dagegen
haben sich nur 8,2 Prozent der Münchner frauenfeindlich geäußert. 9,1
Prozent ausländerfeindlich. Das sind natürlich immer noch zu viele.
Auffällig ist: Feindseligkeit wird vor allem dann geäußert, wenn Themen
salonfähig sind. Seit der Einführung von Hartz IV ging es beispielsweise
viel um angeblich faule und arbeitsscheue Arbeitslose. Und über Muslime
wird vor allem in Zusammenhang mit Terror berichtet.
Derzeit findet der NSU-Prozess in München statt und es wird
vermehrt über Rechtsextremismus diskutiert. Haben solche aktuellen
Entwicklungen Einfluss?
Das lässt sich kaum beantworten. Speziell auf Stadtebene gab es eine solche Untersuchung bislang nicht. Eine frühere Studie zur Menschenfeindlichkeit
wurde beispielsweise nur in bestimmten Vierteln durchgeführt, in denen
2008 auffällig viele Menschen extrem rechts gewählt haben - in Aubing
etwa. Das Beunruhigende: Die Ergebnisse unterscheiden sich nicht
wirklich von unserer Studie. Menschenfeindlichkeit ist also kein
Randphänomen, sondern durchaus weitverbreitet in München.
Was passiert nun mit den Ergebnissen Ihrer Studie?
Sie soll im Stadtrat diskutiert werden. Dann muss man sehen, was
für politische Konsequenzen gezogen werden. Ich persönlich sehe
Handlungsbedarf. Muslimfeindlichkeit ist kein Problem, das auf München
beschränkt ist. Man kann also nicht nur die Stadtpolitik verantwortlich
machen. Unsere Ergebnisse zeigen aber: Kontakt mindert die Ablehnung.
Man könnte also folgern, dass man den Kontakt intensivieren muss - also
etwa ein Begegnungszentrum in München einrichten.
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